Der Economist hat es mit dem Artikel «A short history of tractors in English» auf den Punkt gebracht. Die «Illinois Tractor Demonstration Campaign» vom 3. bis am 6. August 1915 würde die nächste Epoche der Landwirtschaft einläuten: Die Befreiung der Abhängigkeit der ‘weary horses’ (abgekämpfte, müde, lustlose, überdrüssige Pferde). Landwirtschaftliche Produktion würde einfacher und kostengünstiger – heute würde mal von skalierbar sprechen 😉
Einige Parallelen zum Versprechen und dem effektiven Einsatz von maschinellem Lernen sind frappant. So war der angepriesene Traktor bereits lang zuvor erfunden (Historiker argumentieren zwischen 1812 und 1890) und der tatsächliche Effekt dauerte noch einige Jahrzehnte, wie die folgende Grafik nahelegt. Und auf dem Weg dahin gab es viele mahnende Stimmen (vor allem von der Horse Association of America) und auch unerwünscht Nebeneffekte. So beispielsweise die Verdichtung des Bodens und die damit einhergehende Erosion.
Interessant war aber nicht nur die Entwicklung der Traktoren selbst, aber auch der Bedarf, die Rahmenbedingungen an diese anzupassen. Vor allem der Arbeitsmarkt mit neuen Berufsbildern und auch die Betriebsgrösse, da sich Traktoren schlecht für kleine Flächen eignen. Ein Teil des Effizienzgewinnes wurde damit erreicht, dass die Landwirte rund einen Drittel ihrer Bodenfläche zur Futterproduktion einsparen resp. zur Lebensmittelproduktion umnutzen konnten.
Um 1900 waren übrigens rund ein Drittel aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigt. Heute sind es etwa noch 10%. Die Beschleunigung des Übergangs brachte übrigens der zweite Weltkrieg. Zuvor, während der wirtschaftlichen Depression, war das Lohnniveau so tief, dass sich der der Einsatz von Menschen noch rechnete: «…it became easier to hire someone to manage a horse—you could always fire them». Wegen Knappheit auf dem Arbeitsmarkt wurde die Maschine plötzlich zur besseren Option.
Oder in kurz: «No matter how good a new technology may be, society needs a long, long time to adjust». Was im Bezug auf AI damit gemeint ist, kann sich jeder selbst ausdenken…
PS: Wer ein umfassenderes (und kritischeres) Bild auf die amerikanische Landwirtschaft wünscht, dem lege ich das Buch «The Story of More: How We Got to Climate Change and Where to Go from Here» von Hope Jahren auf den Lesetisch.
