Digital sozialisiert, Denker, Macher und Angel Investor.

1995 – Wie es wirklich begann…

1

verfasst von Marcel Marchon

Anfangen tun wir mit dieser Geschichte schon ein bisschen früher als 1995 … Im Herbst 1993 habe ich mein Studium an der HSG angefangen (wieso genau weiss ich heute noch nicht …) und wie es der Zufall wollte, war das das Jahr der grossen Einführung von Lotus Notes für alle Studenten an der Hochschule. Wir waren der erste Studentenjahrgang, der in den Genuss dieser neuen Softwareplattform kamen und so hatten wir auch spezielle Einführungsvorlesungen, wo uns das Ganze erklärt wurde. Die Notes-Einführung wurde wenn ich mich recht erinnere von einem gewissen Peter Hogenkamp gemacht, damals wenn’s mir recht ist 5. Semester-Student und «HIWI» am Institut für Wirtschaftsinformatik. Studienkollege von Peter war damals auch ein gewisser Andreas Göldi… ja, und dann war da noch der Hans Meli – der war allerdings im Studium schon etwas weiter und schon am doktorieren, aber auch am Institut tätig als Assistent.

So ging das die ersten paar Monate und da ich nichts Besseres zu tun hatte und mich die Materie interessiert hat, habe ich mich oft mit diesem Lotus Notes beschäftigt und mich in den Computerlabors herumgetrieben. Dabei bin ich wohl den Herren aufgefallen – und wie sich herausstellte war ich nicht der Einzige. Eines Tages erhielt ich eine Email von der Notes Gruppe mit einer Anfrage, ob ich mich nicht etwas näher mit der Materie beschäftigen möchte. Da habe ich natürlich gern mitgemacht und landete so mit zwei Studienkollegen aus meinem Jahrgang – Urs Wagner und Othmar Krapf – als studentischer Mitarbeiter am IWI. Wir arbeiteten dort an der Entwicklung von Lotus Notes-Applikationen – in Zusammenarbeit mit den obengenannten Herren, insbesondere Hans Meli, der sich so ein bisschen als Chef des Ganzen herauskristallisierte.

Das war der wahre Anfang der Gruppe/Firma «delta» – die Notes-Entwicklergruppe am IWI. Eines Tages hatten wir das Gefühl, dass wir einen Namen haben sollten – wie es scheint waren wir nicht sonderlich kreativ (wir waren halt alles Techies und nicht Designer oder Consultants 🙂 …) und das einzige was uns in den Sinn kam war der Name «delta». Ein bisschen kreativ waren wir allerdings schon, denn in unseren Köpfen war «delta» eine Abkürzung für «Designer Equipe für Lotus Notes Applikationen»…

Eine der vielen Notes-Applikationen die damals entstanden war eine Kontakt- und Korrespondenzverwaltung. An der HSG lief seinerzeit eine Ausschreibung für eine solche Applikation, die HSG-weit eingeführt werden sollte. Unser Konkurrent war die Firma Systor mir Ihrer Applikation namens «Ikarus». Da ergab sich für uns die einmalige Gelegenheit, die Übermacht unseres Produktes auch gleich im Namen zu demonstrieren – und so tauften wir unser Produkt «daedalus». Denn schliesslich ist der Ikarus seinerzeit abgestürzt, weil er der Sonne zu Nahe kam … Na ja, genützt hat es nichts, denn die HSG hat sich dann doch für das Produkt «Ikarus» entschieden, aber so wie ich gehört habe, ist der «daedalus» auch heute noch bei gewissen Firmen in Gebrauch…

Unser Büro damals war übrigens oben an der HSG, an der Gatterstrasse 1a.

Im Laufe der Zeit begann sich herumzusprechen, dass da etwas Neues am aufkommen sei. Das Internet war uns schon wenig ein Begriff – die Hauptanwendung war aber damals noch Email. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Email-Adresse – 93646461s@sgcl1.unisg.ch. Die musste man damals noch speziell beantragen als Student, man bekam dann einen Account auf der VAX der Hochschule und konnte sich dann via Terminalemulation einloggen und so Emails lesen und verfassen … Später wurde dann natürlich das Email-System auf Lotus Notes umgestellt … Aber ich komme vom Thema ab.

Das neue war das sogenannte «World Wide Web». Gewisse Leute am CERN hätten da sowas Neues erfunden, womit man in Hypertext erstellte Seiten miteinander verbinden konnte und sich so durch Seiten auf verschiedenen Servern im Internet klicken konnte. So eine Art Gopher, nur schöner. Tönt noch interessant, nicht wahr? Also haben wir uns damit ein wenig auseinandergesetzt. War aber ganz schön mühsam damals, denn erst musste man sich für seinen Windows 3.1-Computer einen TCP/IP-Stack besorgen, sonst konnte man auf dem Internet nicht mitmachen. TCP/IP war damals noch keineswegs das Standardnetzwerkprotokoll. Die HSG war damals ganz auf Novell-Netzwerken und TCP/IP gab es eigentlich nicht. Und Windows konnte damals auch nicht einfach so netzwerken … das musste alles speziell installiert werden. Aber wir haben es dann geschafft und es war grad die aufregende Zeit, wo so ein Startup namens Netscape sich daran machte, den Browsermarkt für sich zu entscheiden. Fast täglich konnte man neue Betaversionen herunterladen und so haben wir uns durch alle 0.90er Versionen von Netscape hindurchgekämpft.

Irgendwie kam dann die Sachen mit dem WWW in Gang und am Institut begann man sich mit der Electronic Mall Bodensee zu befassen. Die Idee war da unter anderem auch, dass man Firmen aus der Region zum Einstieg ins World Wide Web verhelfen wollte und da brauchte man Leute, die für diese Firmen die Webseiten erstellten. Die konnten das nämlich nicht selber – die meisten hatten ja kaum eine Ahnung vom Internet überhaupt. Email war auch noch überhaupt nicht verbreitet und so mussten wir unter anderem auch einen Faxgateway aufstellen, damit die Inhalte von den Kontaktformularen auf den Webseiten der Firmen (damals ein wichtiger Standardbestandteil von so einer Internetpräsenz) irgendwie den Weg in die Firma fanden…

Es kristallisierte sich dann irgendwie heraus, dass aus der Geschichte wenn nicht eine eigene Firma, dann doch so eine Art Profitcenter werden könnte. So bildete sich dann die «Webseiten- und Notesentwicklergruppe» delta, die zuerst unter dem Dach des IWI und dann der SIM an der HSG an der Guisanstrasse 1a ein neues Zuhause fand. Hans Meli war der Chef der Gruppe und als Mitarbeiter gab es im wesentlichen ein paar «abdetachierte» studentische Mitarbeiter des IWI. Andreas Göldi blieb damals zu Beginn noch eher auf der wissenschaftlichen Seite der Sache, d.h. beim IWI selber. Hans hatte bald das Gefühl, dass wir ein bisschen Marketing auch machen sollten – z.B. brauchten wir Visitenkarten und damit auch ein Logo. Logo gab es nämlich noch keines, nur den Namen. So suchte er sich einen der vielen Marketingstudenten aus, von denen es ja an der HSG eine grosse Auswahl gibt 🙂 Wieso er grad auf den Philipp Lämmlin kam, weiss ich eigentlich nicht, aber die Frage kann dieser ja selber beantworten… Philipp machte sich dann an die Arbeit und hat uns marketingmässig unterstützt.

So langsam waren dann für mich die ersten zwei Studienjahre vorbei und wir schreiben nun also das Jahr 1995. Damals war es so, dass man als HSG-Student auch ein Praktikum machen musste und für mich war es naheliegend, dieses Praktikum bei der «Firma» delta zu absolvieren. So wurde ich – wie ich meine – zum Mitarbeiter #1 der Firma delta:

1545-vertrag-delta-marcel-thumb-500x704-1544.jpg

Tja, und der Rest denke ich ist Geschichte… Wenig später lösten wir uns auch physisch von der HSG und die Firma zog um in die neuen Büroräumlichkeiten an der Farbgutstrasse 3. Die waren damals am Anfang noch viel zu gross, so dass wir den hinteren Teil des Büros an zwei Kollegen untervermieteten, die dort eine eigene Firma unter dem Namen «network» betrieben. Das waren die Herren Peter Hogenkamp und Tim Dührkoop.

Mein HSG-Studium habe ich dann schliesslich abgebrochen – schliesslich hatte ich seit jener schicksalshaften Email, die mich zum Notesentwickler am IWI machte, wesentlich mehr Zeit am Computer verbracht als mit dem Studium. Es gab also eigentlich nicht viel abzubrechen, es galt vielmehr, den Tatsachen ins Auge zu sehen und das zu machen, was ich auch wirklich machen wollte.

So verbrachte ich dann die nächsten rund 5 Jahre bei der delta und schliesslich bei der namics. Diese Zeit war eine sehr wichtige Zeit für mich, eine Zeit, die mein Leben sehr geprägt hat. Ich habe viele Leute kennengelernt, mit denen ich auch heute noch verbunden sind – mit einigen davon sehr. Auch die Tatsache, dass ich nun seit mehr als 6 Jahren in Kalifornien bin, verdanke ich eigentlich der delta, denn an den Arbeitsplatz hier bin ich durch einen ehemaligen Kunden der delta gekommen.

1547-mailfooter-delta-marcel.jpg

Damit endet mein Beitrag zum 15. Geburtstag der Firma delta/namics. Von mir an dieser Stelle herzliche Grüsse und Glückwünsche an alle ehemaligen und aktuellen Mitarbeiter.

11 Kommentare

  • Danke 🙂

    Beim Schreiben ist mir aufgefallen, dass es mir nach 6+ Jahren in Kalifornien doch schon ein wenig schwer faellt, einen laengeren deutschen Text zu schreiben… Hoffe das merkt man nicht allzusehr.

  • Hallo Ursel, danke sehr.

    (und Frage an Juerg, kann man die E-Mail-Benachrichtigung auch aktivieren ohne einen Kommentar zu schreiben? 🙂

  • das ist doch genau der marcel, der mich so oft aus der fassung brachte, was da alles in diesen aussergewöhnlichen hirnwindungen gespeichert ist – und vor allem bleibt. habe nur wenig ähnlich schnelldenkende menschen getroffen in meinem leben – die meisten bei namics 😉 mit dir konnte man projektänderungen besprechen, während du parallel weiterprogrammiert hast. zum beispiel bitte einmal neue corporate website mit individuellem cms im (fast) alleingang…

    warum ausgerechnet ich als marketing-studi dazustiess, das ist ganz einfach: ich habe mich auf eine hsg-interne anzeige als lotus notes entwickler beworben… kein scherz. war beim meiner damaligen compi-nähe so abwegig nicht. hans meinte milde lächelnd, dass ich wohl doch besser was anderes machen würde für delta – nämlich den noch fehlenden marketingteil und die kundenbetreuung. als ich dich, urs, otti kennenlernete, war mir schnell klar, wieso… so kam das.

    ganz lieben gruss an die andere küstenseite aus florida, philipp

  • wow. finde erst gerade heute diesen wunderschönen eintrag.

    ja. die EMB war auch für mich ein wichtiger anfang. meine perspektive war schon damals eine andere. jene des sozialarbeiters. von unten. vom rand her.

    jaja: damals gab es das noch. oben. mitte. unten. wir stellten uns die gesellschaft wie eine pizza vor. mit knusprigen rändern und saftigen mitten. und ich arbeitet mit den «randgruppen». in den grausligen offenen drogenszenen jener tage.

    ich reagierte auf einen artikel im tagblatt. und schickte vom schattenhügel auf die sonnenseite der stadt die mitteilung, dass es rund um den bodensee doch nicht bloss business gäbe. sondern auch gesundheitswesen. kultur. soziales. was weiss ich. und dann fiel ich vom stuhl:

    da kam tatsächlich eine textnachricht zurück. eMail funktionierte also wirklich? hatte wirklich wirkliche wirkung? es kamen umstandlos passwörtern. ohne jeden persönlichen kontakt. nix. sie nannten es «gesundheit und soziales». und ich solle mich bitte im design an den frontseiten orientieren. und so sammelte ich. wie wild. manchmal wurde ich zurückgepfiffen. (aniGIF war damals zum ersten mal hip. das fanden sie nicht immer so lustig und bauten dann doch auch noch eigene. natürlich schönere, bessere, coolere als ich es konnte. ich übernahm sie gerne ;-)))

    es war mein erster «offen zugänglich abgelegter zettelkasten». (ich hatte vorher schon elektronische zettelkästen angelegt. aber das hier machte einfach sehr viel mehr spass. und vor allem: sinn 😉

    was ich nicht so lustig fand?

    wie DELTA gegründet wurde, wurden uns rackern keine aktien angeboten. (einige journalisten waren ja inzwischen angestellt! ich erinnere mich lebendig an 2 und natürlich herr müller…) aber dafür durfte auch ich aktien von der EMB kaufen. allen war damals klar, wo big business sein wird. sicher nicht in der EMB. trotzdem: ich kaufte. aber nicht, weil ich auf gewinn hoffte. sondern weil ich mich mit der EMB herzlich verbunden fühlte.

    und so war die welt wieder, wie sie WIRKLICH war.

    in klarer ordnung. sie war noch immer jene gute, alte, eine scheibe. rund. mit klaren rändern. mit saftigen mitten. und ich knusperte genüsslich.

    ich würde es wieder tun.

    d!a!n!k!e

    /sms 😉

Digital sozialisiert, Denker, Macher und Angel Investor.