In einer Studie haben wir den Prozess «Kunde werden» bei 14 Banken analysiert (hier die Studienergebnisse bestellen). Sehr häufig sind wir dabei auf online Prozesse gestossen, die auf die bestehenden Prozesse aufgesetzt wurden. Scheindigitalisierung nenne ich das und habe in der letzten Netzwoche dazu den unterstehenden Artikel geschrieben.
Nah am Kunden – das schreiben sich viele auf die Fahnen. Touchpoints, User Journey und «lovable products» sind die neue Währung. Kein Wunder, dass immer mehr Banken auf digitale Services setzen, die den Kundendialog vereinfachen sollen. Doch häufig ist der Blick hinter die Digital-Fassade ernüchternd.
Am Beispiel des Prozesses «Kunde werden» haben wir das Benutzererlebnis aus Sicht eines digitalen Kunden bei 14 Banken dokumentiert. Ausser einigen positiven Erlebnissen sind vor allem unübersichtliche Onlineformulare, ständige Medienbrüche und unzählige Kontaktpunkte mit verschiedenen Ansprechpartnern die Regel. Die Folgen sind Frustration und Vertrauensverlust. Wie kommt es dazu?
Fragmentierte Offlineprozesse ergeben fragmentierte Onlineprozesse
Zwei Aspekte sind zentral. Der erste zeigt sich in den bestehenden Produkten. Ausgangspunkt bei der Transformation ist oft nicht das Produkt selbst, das sich an der Onlinewelt und den Wünschen digital lebender Kunden orientieren sollte. Vielmehr wird versucht, bestehende Produkte und altbewährte Prozesse zu digitalisieren.
Dabei bleibt ein wichtiger Punkt unbeachtet: Der Offlineprozess ist nicht integriert und von Abteilungssilos geprägt. Besucht der Kunde eine Filiale, fällt dies weniger auf, da Berater einen Teil der Schwachstellen kompensieren. Beim Onlinedialog ist der Kunde aber unbegleitet. Er muss die über verschiedene Silos verteilten Puzzleteile selbst zusammenfügen. In anderen Worten ausgedrückt: Wer einen fragmentierten Offlineprozess digitalisiert, erhält einen fragmentierten Onlineprozess.
Der zweite Aspekt ist eng damit verbunden. Mit dem singulären Ziel, Kosten zu sparen, beauftragen Banken externe Dienstleister, die den Neukunden direkt beliefern. So erhalten diese mehrere Sendungen und auch mehrere Begleitschreiben – oft mit abweichender Darstellung, Anrede und Kontaktmöglichkeit. Das irritiert, soll der Kunde doch die Bank als ein Ganzes wahrnehmen. Das versprochene konsistente Markenerlebnis ist damit auch mehr Schein als Sein.
Lösungssuche fängt beim Unternehmen an
Einen schnellen Weg gibt es nicht. Fängt doch alles beim Unternehmen selbst an: Transformation erfordert ein neues Fundament. Etwa in Form einer Fehlerkultur, die es erlaubt, Dinge auszuprobieren und daran zu scheitern – mit dem Ziel, schnell zu sein und Bedürfnisse sowie Emotionen in der Realität zu erkunden. Dabei gilt: Umso früher etwas scheitert, desto lehrreicher ist es. Gerade für etablierte Banken ist eine solche Prozess- und Produktkultur weit von deren Realität entfernt. Zudem müssen Silos kritisch hinterfragt und zumindest aus Sicht des Kunden aufgelöst werden.
Firmen sollten von einer konsequent nutzerzentrierten Denkweise geprägt sein, die auf effektive Kundenbedürfnisse abzielt. Damit ausgestattet, braucht es in Frühphasen der Arbeit technologieneutrale Konzepte, die immer von einem Idealzustand ausgehen und erst im einem späteren Schritt einem Realitätscheck unterzogen werden. Das fördert die Kreativität.
Optimierungspotenzial für Banken
So nah am Onlinekunden sind die getesteten Banken nicht. Im Gegenteil, sie haben sich teilweise sogar von den digitalen Nutzerbedürfnissen entfernt. Das schafft Frustration und reduziert das Vertrauen in die Prozesse der Geldinstitute. Einfach bestehende Offlineprozesse und Produkte unreflektiert zu digitalisieren, funktioniert nicht. Dies ist die Chance der Fintechs, die den Nutzer und die Onlinewelt in den Fokus ihrer Produkte rücken. Was es also braucht, ist eine Organisation und eine Kultur, die Silos überwinden, die Produkt- und Prozessentwicklung fördern und den Nutzer in den Vordergrund stellen. Dann wird Kundennähe wieder Realität.
Details zur zitierten Studie
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