Natürlich nicht, aber Online-Werbung ist eine Riesengeschäft und sowohl Google (ca. 80% des Umsatzes, im Jahr 2020 USD 146.92 Mia.) wie auch Facebook (ca. 90% des Umsatzes, im Jahr 2020 USD 84,2 Mia.) könnten ohne Online-Werbung in ihrer heutigen Form nicht existieren. Und wo es um soviel Geld geht, wird mit harten Bandagen gekämpft.
So der «Vorstoss» von Apple in iOS den IDFA (Identifier for Advertisers) abzuschaffen und die (ganzseitige) «Reaktion» von Facebook auf den Wurf des Handschuhs oder das Buch «Subprime Attention Crisis» von Tim Hwang. Ausserdem der zunehmende Kampf der Browser-Hersteller (und der Gesetzgeber) gegen die Möglichkeit User mittels Cookies zu verfolgen resp. explizites Opt-in verlangen, was kaum jemand bewilligen wird. Und das Google mit ihrem Ad Identifier folgen muss, zumindest ausserhalb ihrer eigenen Anwendungen ;).
Der Versuch eine technische Antwort zu liefern liegt nah, so gibt es zahlreiche Ansätze um Persistenz (Erkennung von Usern über Grenzen von Requests, Sessions und User Agents) näherungsweise sicherzustellen. Also Ansätze wie Fingerprinting (da habe ich schon 2008 darüber geschrieben), Device Graphs, App Event Optimization (AEO), Value Optimization (VO), Target return on ad spend (tROAS) oder Header bidding. Und natürlich Demand-side platforms (DSPs), doch wollte ich ja was anderes schreiben.
Im letzten SRF Digital Podcast wurde der Teil I zur Frage «Wie wirksam ist Werbung im Internet tatsächlich?» ausgestrahlt. Gut zusammengestellt und spannende Gedanken von Tobias Zehnder von Web Republic. Anstelle auf Bestand zu pochen, teilt er das «Problem der Online-Werbung» in einen transparenten und einen intransparenten Teil ein und nennt Chancen. So auch bezüglich der hohen Anzahl an installierten Ad-Blockern, was dazu führen soll, dass die Leute nicht mehr kritiklos den Zahlen glauben und somit gute Werbung wieder an Wichtigkeit gewinnt.
Meine Gedanken dazu:
- Online-Werbung wie wir sie heute kennen wird zunehmend ineffizient und verliert an Bedeutung. Wegen Wettbewerb, der Datenqualität und technischen/rechtlichen Einschränkungen.
- First Party Data (die Nutzung eigener Profile) wird wichtiger, ist aber für viele Firmen nicht geeignet. Weil ich dafür eine grosse Reichweite brauche resp. diese zuerst erzeugen muss (wie?). Und weil ich die Technik resp. die Mathematik wirklich im Griff haben muss, was den wenigsten Firmen gelingen wird.
- Wird gute Werbung also eine Renaissance erleben? Kaum die Werbung wie wir sie von gestern kennen aber gute kommerzielle Kommunikation die von Usern geschätzt und gesucht wird, funktioniert schon heute bestens. Eher Online als Offline. Aber ohne dass ein Vermittler für das Targeting eine hohle Hand macht.
- Und eine exzellent aufgeladenen Marke will jeder haben. Doch wie stellt man das an? Eine exzellente Dienstleistung und eine konsequente Nutzerorientierung helfen. Doch wahrscheinlich müssen da die Techies mal in die zweite Reihe stehen.
Das Google Geschäftsmodell ist eh gefährdet. Es wird immer weniger Suchresultate in Listenform geben sondern nur noch das gesprochene Resultat. Ob es erlaubt sein wird, diesen Lead zu verkaufen, halte ich für unwahrscheinlich. Nicht nur wegen des Gesetzgebers sondern weil Apple und Amazon das Suchresultat auch ohne Leadgebühren anbieten kann.
Hallo Reto,
…ja und. Apple und Amazon gibt es heute schon von Google erschliesst sich seinen Markt dennoch. Wenn sie etwas ähnliches wie Android auch mit ihrem Werbemodell hinbekommen, so werden wir sie noch lange sehen. Und ich sowieso, da all meine Daten bei Google sind ;).
Salut Jürg,
sicher, Mathematik ist Pflicht, jedoch glaub ich, dass die Werbeflaute v.a. auch den überholten Formaten und Inhalten geschuldet ist. Man wirbt heute wieder, wie im letzten Jahrtausend, es poppen wieder Modals auf, die wir schon vor 20 Jahren nervig fanden und der Grossteil des Browser Real Estates wird durch klassiche Banners zugemüllt, die immer noch an Spalteninserate aus dem Print erinnern. Heute ist KI (Mathematik) Gegenwart und die Nutzerschaft sehr clever und schon längst mündig geworden. Wann wird die Werbebranche das raffen und ihre völlig durchschaubaren Broadcasts abschaffen?
Schön gebrüllt: durchschaubare Broadcasts.