Digital sozialisiert, Denker, Macher und Angel Investor.

Der Preisträger der keiner war: Guido Mingels

D

Wie kann ein Journalist einem, von einer Jury verliehenen Preis vertrauen. Schliesslich befanden nur die sieben Juroren die Arbeit als gut.
Das Internet finden ja auch nur etwa 1’000’000 Leute (oder ein paar mehr, sorry keine Studie bei Fuss) gut und nützlich — damit steht es immer noch stark im Verdacht, nichts zu nützen (Differenz zur Weltbevölkerung). Einen kenne ich seit heute der es doof findet: Guido Mingels in seinem Artikel von letztem Samstag im Magazin: «Die Revolution die keine war» [pdf, 650K].
Kennen tu ich den Artikel übrigens NUR wegen den Internet. Dies da ich bis am Sonntag in den Ferien war und bei Tagi-Abo sistiert war. Also Herr Mingels: Einen Leser mehr dank dem Internet (bitte Applaus).
Die Diskussion im Internet ist schon ziemlich warm so bei Peter Hogenkamp, Roger Fischer, Robert Stark und anderen.
Hier meinen Senf (sorry: Meine Adresse an Herrn Mingels) und in diesem Wiki bitte Eure Schreibwut.
1) Es gibt auch Menschen mit Behinderungen
Nehmen wir an ich bin Blind und möchte Ihren Artikel lesen. Zwei Möglichkeiten: Fremdbestimmt vorlesen lassen oder selbstbestimmt über Internet lesen (mit Sprachsynthese und/oder Brailledisplay). Im Fall der Tageszeitungen ab ca. 3 Uhr morgens auf deren Website oder im E-Kiosk. Das ist ein (revolutionärer) Fortschritt für Menschen mit Behinderungen (auch gültig für andere Behinderungsarten mit unterschiedlichen Hilfsmitteln). Bei Print geht das nicht und auch nicht bei der Website des Magazins a) weil der Text nicht dort ist und b) weil die nur Startseite mit Macromedia Flash funktioniert (anderes Thema).
2) Was ist Internet genau?
Das mit der Verwechslung lasse ich mal. Aber was ist ihre Definition von Internet? Jugendliche die zusammen chatten. Das ist auch Internet. E-Mail ist auch Internet (ja/nein/abbrechen) und wie steht es mit SMS (geschickt über eine Website), Fotocommunities wie www.meinbild.ch u.v.a. Ich werte nicht was gut ist, aber was ist Internet für Sie genau?
3) Missbrauch
Ja, ja und ja. Ganz viele Sachen sind nicht gut, illegal und verwerflich. Aber das mit den Autos, die Morde mit dem Schraubenzieher, Chemie auf dem Schulhof u.s.w. muss ich wohl nicht zitieren.
4) Computer Literacy
Schüler die ein Notebook haben sind nicht besser in der Schule (auch nicht schlechter), haben aber mehr Computerfähigkeiten. Hallo Herr Mingels: Das Ziel ist erreicht. Welches Berufsbild braucht keine Computerkenntnisse? Berufseinsteiger haben massiv bessere Chancen, wenn sie gut mit einem Computer umgehen können und das gilt quer durch — Zukunft ist angekommen (ob wir es wollen oder nicht).
5) Massenmedium?
Internet stellt keine geteilte Erfahrung dar und ist deshalb nicht als Massenmedium geeignet sagen sie. Haben Sie Kinder? Vielleicht ist der Begriff der Masse nicht mehr so aktuell wie auch schon. Passender sind Communities und die sind kleiner (so wie die Kommission bei eBay 😉 aber nicht weniger wichtig. Counter Strike = Schlecht. Einverstanden, aber dennoch packt das Ding wegen dem Internet viele Jugendliche und lässt sie kaum mehr los. Das ist Realität und Sie sagen Internet habe die Welt und soziale Strukturen nicht verändert.
6) Autorität geht verloren…
Hmm… wie steht es mit Reputation (das kann Internet besser als jeder Chefredaktor). Möglicherweise werden Dinge in der Zukunft neu geordnet. «Herrschaftsfreiheit», so wie sie sagen (tolles Wort), kann schlecht sein aber Vorstellungen über ideale Zustände ändern sich über die Zeit.
7) Bedürfnisse der Nutzer bleiben ungeachtet…
Über ch.ch brauchen wir nicht zu diskutieren (da ist meine Kritik harscher als Ihre). Aber Sie können doch nicht wirklich behaupten, es gäbe keine nützlichen Anwendungen die von Usern geschätzt würden. Und auch wenn die Online-Welt nur ein Spiegel der Offline-Welt wäre, so gehen die Menschen in den Online-Raum und sich die Sachen zu holen die sie wollen. Im 17. und 18. Jahrhundert waren es die Kaffeehäuser und heute? Ihr Beispiel dass auf eBay 30% zu Fixpreisen verkauft wird ist nicht schlimm (glauben Sie mir) aber die Orientierung an einem Bedürfnis.
Vor den Kaffeehäusern warnte auch schon Charles II von England in 1675:

very evil and dangerous effects…for that in such Houses…divers False, Malitious and Scandalous Reports are devised and spread abroad, to the Defamation of His Majestie’s Government, and to the Disturbance of the Peace and Quiet of the Realm.

Nur Mut: Augen offen halten, nicht zu stark an (fremde) Statistiken glauben und Optimismus. Es gibt und es braucht Alternativen.
PS: Sorry für die Einleitung mit dem Preis und hier noch eine Gratulation an Guido Mingels für vergangene, schätzenswerte Artikel.

6 Kommentare

  • Gute Stellungnahme, allerdings solltest du die Rechtschreibung und halben Sätze nochmal überprüfen, Journalisten stehen auf sowas 😉

  • Ich finde die Stellungsnahme auch sehr gelungen. Wobei ich den «Wirbel» um den Artikel von Herrn Mingels nicht verstehen kann. Soll er doch seine Meinung kund tun! Mich stört das eigentlich gar nicht, finde es eher amüsant.

  • Ok, er verwechselt das Internet mit dem WorldWideWeb – und das gleich zu Beginn. Da kann ja nichts Gutes dabei herauskommen. Und siehe da, viele gute Gedankengänge, die dann leider genauso in einer Verwechslung oder Fehlinterpretation enden wie WWW und Internet. Naja Herr Mingels, ich vermute, dass Sie Thesenjournalismus betrieben haben: Die These steht fest, nun suche ich die Argumente. Ich schätze Das Magazin und bin froh, dass dieser Artikel erschienen ist, bildet er doch die Meinung vieler ab. Das das nichts mit richtig zu tun hat, ist wohl auch klar. Auf die einzelnen Punkte einzugehen gibt auch eine sehr sehr lange Liste und noch längere Ausführungen. Da habe ich eine bessere Idee. Herr Mingels, wagen Sie sich in die Höhle des Löwen? Ich würde gerne mit Ihnen ein Podium an einem der nächsten Treffen der Erfa-Gruppe Internet Efficiency /http://www.internet-efficiency.ch) veranstalten. Sie können auch noch andere Personen zu Ihrer Unterstützung mitbringen (Kontakt zu mir finden Sie unter insider@vtx.ch). Mich würds freuen.
    Reto Hartinger
    Präsident Erfa-Gruppe Internet Efficiency

  • Jetzt bin ich wieder auf diesen Eintrag gestossen und möchte die Story ergänzen. Ich habe Herrn Mingels angerufen, ob er nicht an einem Podium teilnehmen wolle. Er hat dankend abgelehnt. Es sei seine Aufgabe nicht, eine Sache zu vertreten. Er habe die Punkte zur Diskussion geliefert, jetzt müssen andere diese weiter führen. Er sei weder Spezialist noch Apostel.
    Das fand ich symphatisch. Wir interpretieren einfach mehr in Journalisten herein. Nur weil sie in einem Artikel eine Meinung vertreten (und einem Teil der Bevölkerung damit eine Stimme geben) sind sie noch lange keine Missionare für die Sache.
    Schade, das hätte eine super Diskussion gegeben. Es finden sich eben immer wenig Leute die es wagen, sich einer solchen Diskussion zu stellen. Egal wir haben bei der Erfa-Gruppe Internet Efficiency genügend anderen interessanten Stoff

Von Jürg Stuker
Digital sozialisiert, Denker, Macher und Angel Investor.