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Web Statistik: Begriffe, Kennzahlen und Lügen (aka Web Analytics oder Online Business Intelligence) – Teil 2 von 3

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Welche Kennzahlen taugen bei der Erfolgsmessung von Webanwendungen. Teil 2 einer Serie über Web Analytics resp. Online Business Intelligence. In einem ersten Teil erklärte ich bereits einige zentrale Begriffe und später folgen Lügen resp. Fehler bei der Messung.
Ein Beispiel vorab: Ich halte denselben Vortrag in einem geschäftlichen Kontext. Einmal vor 5 und einmal vor 500 Besuchern. Welcher Anlass hat den grösseren Nutzen? Ich bin sicher, dass alle Leser hier die richtigen Fragen stellen werden. So beispielsweise: Wer sass (tatsächlich) im Raum? Wo fand der Vortrag statt? Welche Gespräche folgten dem Vortrag? etc. Logisch… und weshalb werden dieselben Fragen bei Webstatistiken so selten gefragt? Ich nenne die Vernachlässigung das „Fieberkurven-Syndrom». Jeden Monat wird im Management-Meeting eine Kurve gezeigt, die gegenüber dem Vormonat gestiegen ist. Wow, toll… Aber wer interessiert sich denn für Details wie beispielsweise was genau gemessen wird und wie der Zusammenhang mit laufenden Marketing-Aktionen ist. Ein weiteres Beispiel, näher beim Thema. Es entstammt einer guten Präsentation von Rony Degen mit dem Titel Keyword-Optimierung bei Google.
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Quelle: Internet Marketing Magazin.
Auch wieder klar: Anzeige 1 hat zwar mehr Klicks (wow) aber bei der Anzeige 2 ist die Konversion (Umwandlung zum Kampagnenziel) signifikant besser („here is the beef»). Da bei AdWords nur Klicks auf die Anzeige bezahlt werden müssen, ein klarer Fall von besser und schlechter. Und wer auf dieser Welt misst den Erfolg seines Webangebotes noch mit Hits oder Page Views? Nun zum Thema.
Teil 2: Kennzahlen und deren Eignung
Ausklammern werde ich in der Folge technische Kennzahlen wie Browsertyp, vorhandene Plugins, Bildschirmauflösung oder Datenmenge des Transfers. Diese sind für bestimmte Anspruchsgruppen wichtig, doch soll der Fokus hier auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg des Webangebotes gerichtet sein. Auch ausklammern werde ich Risikokennzahlen wie beispielsweise die Messung bestimmter Aspekte, welche zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen können wie Verbot der Bewerbung bestimmter Produkte oder unterschiedliche Informationen je nach geographischer Userdeklaration u.a.
Noch zum e-Unisnn. Ich halte den Begriff „e-Business» für unpassend. Es ist „Business» das es zu tun gilt. Über verschiedene Kanäle, möglicherweise auch über „e» wie Electronic. Aber ist das POS-Terminal im Eingangsbereich auch „e» oder wie steht es mit medienübergreifenden Kampagnen etc. Idealerweise unterscheiden Kennzahlen die Mediengrenzen nicht, aber bieten ein übergreifendes Bild… aber nun zurück zu Web Analytics mit einem operativen Fokus.
>> Unternehmensziele und Geschäftsmodell?
Frage Nummer eins ist die nach den Unternehmenszielen – den „Hauptstossrichtungen». Was will die Firma morgen erreichen und was ist die Strategie? Konzentrieren sie sich bei den Kennzahlen auf solche, die für die Unternehmensleitung relevant sind.
Der zweite Fragekomplex ist der, wie sie mit ihrem Webangebot Geld verdienen oder wie setzen sie ihr Webangebot ein um Geld zu sparen? Diese Anforderungen können (sollten) Betriebswirtschafter vorbereiten: Zielstruktur -> Werttreiberbaum -> Ursachen-Wirkungs-Netzwerk -> Priorisierung /Gewichtung -> Kennzahlensystem. Häufig finden sich diese Informationen auch beim System der Bonusberechung. In der Folge ein paar typische Szenarien.
>> typische Szenarien und deren Kennzahlen
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Produktverkauf / (verbindliche) Anmeldung
Ihr Ziel ist es auf in Internet Produkte zu verkaufen oder Kunden für eine Dienstleistung verbindlich zu registrieren.
Mögliche Kennzahlen sind mehr Abschlüsse resp. mehr Abschlüsse pro Werbeaufwand. Oder auch einen höheren Bestellwert resp. einen höheren Bestellwert pro Werbeaufwand. Hier wird rasch sichtbar, dass Webstatistik ziemlich durchdacht sein muss. So muss es möglich sein, einen User einer online oder offline Vermarktungsmassnahme zuzuordnen. Und es muss möglich sein, Verhältnisse in Relation zu Werbekosten zu messen. Zudem muss der ganze Bestellprozess nachvollziehbar sein, bis hin zum Bestellwert und idealerweise auch eine Zuordnung mit dem Kunden im CRM-System (z.B. über den Login).
Leadgenerierung
Der Unterschied hier ist, dass ich im Internet keinen Abschluss erreiche, aber einen Kandidaten für einen möglichen Abschluss „erzeuge». Hier gelten dieselben Bemerkungen wir oben beim Verkauf resp. der Anmeldung. Dies mit dem Unterschied, dass die Qualität des Leads erst später und typischerweise in einem anderem Medium (Brief, Telefon) festgestellt wird.
Als Kennzahl im Zentrum stehen die Kosten pro Lead und die Leadqualität. Letzter meist gemessen an der Konversion d.h. am prozentualen Erfolg bei der Entwicklung des Users zum Stammkunden. Ein bekanntes Markting-Modell dazu ist „Attraction > Conversion > Retention». D.h. wie viel Prozent der Zielkunden erreiche ich, wie viele davon kann ich zu Besuchern meines Angebotes machen und wie viele wiederum zu Kunden und später zu Stammkunden. Sehr wichtig ist hier die Zuordnung zur selben Person unabhängig von der Aktion und vom Medium. Beispielweise erfolgt der erste Kontakt über eine Printwerbung oder über ein E-Mail Newsletter und erste der zweite im Web. Idealerweise sollte dennoch eine Zuordnung erreicht werden. Der Weg dazu sind meist Kampagnen-Codes mit denen der Kunden Rabatt erhält und diese deshalb selbst überträgt. Das gilt auch für das obere Szenario. Eine nicht erreichte Konversion nennt sich aus Analysesicht ein Streuverlust.
After Sales Service
Der Fall hier ist, dass ein Besitzer eines ihrer Produkte oder ein Konsument ihrer Dienstleistung eine Frage oder ein Problem hat. Ihre Aufgabe ist es, den Kunden, unabhängig vom Medium möglich gut zu bedienen und dabei möglichst wenig Kosten zu erzeugen. So kostet beispielsweise ein Anruf eines Kunden bei ihnen im Callcenter (resp. beim der damit beauftragten Firma) CHF 35.–. Also ist jeder eingesparte Anruf oder jeder ungenügende Antwort die zu einer Nachfrage führt, Geld wert.
Mögliche Kennzahlen sind die Zufriedenheit des Kunden bei der Anfrage relativ zu den Kosten. Hier ist der Online-Kanal meist sehr vorteilhaft, da sich der Kunden „selbst bedienen» kann. Wichtig auch hier die Zuordnung zum CRM-Sytstem um das Widerkommen feststellen zu können. Eine wichtige Kennzahl ist zudem wie rasch der Kunde die korrekte Information finden kann resp. feststellt, wie er die finden kann oder da es die Information hier nicht gibt. Ein Weg ist Beispielsweise die Messung der Qualität Suchtrefferliste des Recherchesystems aus Kundensicht.
Informationsvermittlung
Ein Webangebot kann durchaus auch Sinn machen um nur Informationen zu vermitteln. So beispielsweise als Teil der Online-Verkaufsunterstützung oder als Teil der Markenführung.
Mögliche Kennzahlen hier sind insb. Loyalitätsaspekte (wer kommt wie häufig zu Besuch?), Navigationspfade im Angebot und Cluster davon, welche Usergruppe welche Inhaltsbereiche nutzt. Oder halt eben welche Inhaltesbereiche nicht genutzt werden.
Intranet
Auch bei einem Intranet sind Web Analytics Kennzahlen wichtig. So beispielsweise die Messung von systematischen Prozessfehler oder auch wieder Suchzeiten für wichtige Anwendungsfälle. Da die Anforderungen an die Messung nun immer spezifischer werden, erlaube ich mit abzukürzen… es geht darum den Kern des Systems zu erkennen. Es gibt „no silver bullet».
>> Weitere Aspekte
Es gibt noch viele Aspekte, so beispielsweise die Sicht auf die oben skizzierten Themen aus dem Blickwinkel der Vermarktungsmassnahmen. Also die Frage welche Massnahme eignet sich für welches Ziel wie gut? Ein häufiger Fall ist auch die Integration von Verkaufskanälen beispielsweise wenn der Verkauf nicht bei ihnen direkt stattfinden oder wenn der gesamte Prozess auf Kundensicht viele Medienbrüche aufweist. So auch die Thematik dass man möglichst rasche eine Identifikation des Kunden über ein Login oder eine vergleichbare Erkennung (z.B. Telefonnummer) damit Messwerte zugeordnet werden können. Oder neuartige Medientypen, welche unterschiedliche Messungen verlangen. So beispielsweise Video/Audio, wo auch gemessen werden soll, wie viel tatsächlich abgespielt wurde oder Feed (RSS /Atom). Bei einer Messung können auch Nutzbarkeitsaspekte im Zentrum stehen wie beispielsweise die Abbruchrate bei Formulare oder die Verweilzeit in bestimmten Prozessschritten etc.
Sorry für den langen Post. Ich unterbreche hier, sonst gibt es plötzlich ein Buch. Es folgt noch ein Teil über gängige Lügen bei der Web Statistik. Für Fragen bin ich per E-Mail oder über die Kommentarfunktion jederzeit zu haben… So darf es bei Bedarf auch weitere Posts geben 😉

8 Kommentare

  • Ich finde als laienhafter Betreuer einiger kleinerer Web-Auftritte Deine Ausführungen sehr interessant und habe mich auch schon häufig mit der Frage auseinander gesetzt, wie ich bei einer Website eines kleineren Unternehmens (B2B) mit weniger als hundert Besuchern pro Tag eine Konversionsrate feststellen soll.
    Es handelt sich zudem nicht um ein Unternehmen, dass direkt online Produkte vertreibt, sondern dass nur daran interessiert ist, über den Web-Auftritt den ersten Kontakt zum Kunden / Lieferanten als Basis für die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung herzustellen. Bis heute bietet sich nur die Möglichkeit, die Anzahl der Website-Besucher in direkte Relation zur Anzahl der vermutlich über das Internet gewonnenen Kunden zu setzen.
    Ich fände diesen Aspekt allgemein behandelt (also nicht als individuelle kostenlose Beratung 😉 interessant, Deine bisherigen Ausführungen scheinen sich auf Unternehmen zu beschränken, die ihre Produkte im direkten Online-Vertrieb absetzen können.

  • Auch mit Seiten mit relativ kleinen Zahlen kann man ziemlich gut Conversions-Rates feststellen, indem man z.b. die Kontakt Seite oder eine bestimmte Produkt seite etc.. als Lead-Seite festlegt und so die Conversion von Besucher und Besucher die auf dieser Seite waren feststellt.
    Aus der Logik der Anzahl Teilnehmer können in einer solchen Sache einzelne das Ergebnis mehr beeinflussen, jedoch habe ich auch mit wenigen hundert Besucher relativ konstante Conversion-Rates.
    Mit Google Analytics lassen sich sehr einfach solche Goal-Sites definieren und Conversion-Rates ausrechnen.

  • Da stimme ich Bloggerli zu. Es gibt auch bei kleineren Seiten einige Möglichkeiten Konversionen zu messen… Newsletter-Anmeldung.. passieren bestimmter Seiten… herunterladen bestimmter Dokumente (z.B. PDF-Whitepaper) und natürlich die Kontaktaufnahme über ein Formular…
    Selbst offline Kampagnen sind da messbar indem man z.B. in der Kampagne eine bestimmte URL verwendet, die man sonst nicht publiziert, z.B. http://www.domain.ch/wettbewerb, alle Besucher die darüber auf die Seite gelangen kann man dann dieser Kampagne zuordnen.

  • @Andi. Bloggerli und Michel haben bereits gute Anhaltspunkte gegeben. Gut finde ich insb. die nur selektive kommunizierte URLs. Z.B. eine im E-Mail und eine andere in der Print-Anzeige etc. So lassen die Massnahmen zuordnen. Zudem alles, was Du (wegen der kleinen Grundgesamtheit) mit einem Session-Cookie tracken kannst. Z.B. das genannte Fomular inkl. der Bestätigungsseite.
    Google Analytics finde ich zudem ziemlich gut. Für Downloads braucht es dort einen Trick, der einfach zu implementieren ist…

  • Bisher war ich mir über Sinn oder Unsinn eines Kontaktformulars nicht sicher. Jetzt bin ich mir aber sicher, dass ich eines einbauen und damit die direkten Kontaktaufnahmen über die Website messen werde. Viel zu nahe liegend um selbst darauf zu kommen 😉 vielen Dank.

  • @andi
    ich spinne mal weiter, wenn dein kunde die ganze zeit ein katalog rausbringt und jetzt auch noch online ein katalog aufsetzt da kann man im print-katalog artikelnummern festlegen xxxx-01 und für online katalog die nummer xxxx-02, genauso kannst du die telefon-nummer im internet mit einer -02 durchwahl und auf deiner visitenkarte oder katalog mit durchwahl -01 festlegen, so kannst du die einzelnen bereiche runterbrechen und segmentieren.
    ansonsten coole seite!
    grüsse
    oezer

Von Jürg Stuker
Digital sozialisiert, Denker, Macher und Angel Investor.