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Heimatschutz für Online-Phobiker: Leistungsschutzrecht als Grundlage für den weiteren Erhalt freier Medien gefordert

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Wenn die Situation für viele der Verlage nicht so tragisch wäre, könnte man als Realsatiere darüber lachen. Für mich ist der Artikel aber ein traurige Irrung mit vielen Fehlern drin.
Norbert Neininger (der seinen Weblog auch noch Tagebuch nennt), seines Zeichen Unternehmer, Verleger und Präsidiumsmitglied des Verbandes Schweizer Presse, fordert in der NZZ ein Leistungsschutzrecht (exklusives Recht an ihren Inhalten auch im Internet) für Medienunternehmen.
Über diese irreale Forderung, welche Grundprinzipien der freien Marktwirtschaft widerspricht, will ich gar nicht gross reden. Viel tragischer finde ich, dass die NZZ einen so tendenziösen Artikel abdruckt.
So soll das Internet nach Neiniger ein rechtsfreier Raum sei. Nein, nicht rechtsfrei aber sehr kompliziert, so wie die globale Wirtschaft (und das richtige Leben) selbst. Unterschiedliche Rechtsprechungen in verschiedenen Ländern. Es wird nie eine Schweizer Grenze im Web geben — oder es ist nicht das Web. Und ausserdem sei Wikipedias Ziel nicht die Vermehrung des Wissens, sondern das Erheischen von Marktanteilen, Umsatz und Ertrag. Wo kommt den so was her?
Spannend finde ich auch, dass Verlage über das «Verschenken von Inhalten», «in Unkenntnis der Mechanismen des neuen elektronischen Aufmerksamkeitsmarkts» und wegen dem nicht-funktionieren des Geschäftsmodells der Werbung ganz arg in Bedrägnis geraten sind. Doch am Ende desselben Artikel steht dann, dass «böse» Firmen wie Twitter oder Facebook Milliarden über Werbung einnehmen. Hmm. Welche Unkenntnis und weshalb sind die, die wenig Geld mit Werbung machen die Guten und die, welche viel Geld damit verdienen die Bösen?
Eine schöne Wortkreation finde ich auch das «parasitären Geschäftsmodell» so wie bei Google oder Yahoo. Ist es nicht so, dass diese einen Mehrwert bieten, welcher die User schätzen und anderswo (z.B. beim «Google-Killer» News1.ch [inkl. Herrn Neininger]) nicht finden. Eine Analyse dazu bietet beispielsweise Prof. Stefan Michel vom IMD.
Und nun der zentrale neinigerische «Lösungsvorschlag»: Wir ziehen eine Wand hoch und verbieten alles und machen einen auf «Paid Content». Sehr innovative und ein netter Ansatz in einer Welt die von Netzwerkeffekten lebt.
Kritische Leser errinnern sich möglicherweise noch an die Aussage im Artikel, dass Verlage in «Unkenntnis der Mechanismen des neuen elektronischen Aufmerksamkeitsmarkts» agierten. Bingo und zurück zu Feld eins.
Ein Artikel der weder dem Niveau der NZZ gerecht wird noch den Schweizer Verlagen (und deren Verband) einen Dienst tut: «Verlage haben Anrecht auf besseren Schutz»
Und hier noch ein aktuelles Stück Zeitgeschichte des Schweizer Print-Presse:
Links: "nicht mehr", Mitte: "weiterhin" und Rechts: "nur noch"
Gefunden bei Beat Döbeli und noch ein Kommentar bei Peter Haber.

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Von Jürg Stuker
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