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Innovate the payer role

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Gestern habe ich an den Schweizerischen Marketing- und Unternehmertagen einen sehr spannenden und kurzweiligen Vortrag von Prof. Stefan Michel über Holzwege des klassischen Marketings und neue Wertkonstellationen gehört.
Ein beispielhafter Ausgangspunkt waren die 4Ps des Marketing Mix: Product, Price, Place und Promotion. Haben wir alle an der Schule gebetsmühlenartig auswändig gelernt und ist sicher sehr wichtig. Aber wenden Sie das Ding mal auf den Case von Google an.
Einer der Gründe weshalb die nicht funktioniert ist, dass die strenge industrielle Logik mit der Trennung Hersteller auf der einen Seite und Kunde auf der anderen Seite aufgeweicht wurde. Neu ist, dass der Konsument auch Teil des Entstehungsprozesses des Produktes oder der Dienstleistung ist. Er ist Cocreator oder eben Prosumer (Producer und Consumer gleichzeitig). Eigentlich ist ja logisch, dass ich dem (Mit)Hersteller das eigene Produkt nicht erklären muss. Mit der folgenden Tabelle stellte Stefan die zwei Ansätze nebeneinander.

1475-industrial-cocreation-logic.png

Also geht es bei meinem Produkte / meiner Leistung und deren Vermarktung darum, die Wertschöpfungskette zu verstehen aber es geht um die «Value Constellation». Netzwerkeffekte, von denen der User Teil ist und die ihm gleichzeitig einen Mehrwert bieten. Google benötigt User um Suchergebnisse zu gewichten und Ranglisten zu verbessern. Der User wiederum braucht Google zur Suche. Beide brauchen Webseiten mit Inhalten, die wiederum sowohl Google und die User brauchen etc. Alle profitieren, aber die Anhängigkeiten sind komplexer als dass die vier Ps diese knackig auf dem Punkt bringen könnte. Keine lineare Wertschöpfungskette aber eine vermaschte «Value Constellation».

1476-value-constellation.png

Danach schilderte er anhand einiger Beispiele innovative Geschäfte, die aus bestehenden Produkten/Dienstleistungen enstanden sind. Beispielsweise die Gratiszeitung 20 Minuten: Eine Zeitung für Nicht-Leser (und danke copy/paste in ca. 20 Minuten geschrieben ;-). Mir bekannt aber grad nicht mehr bewusst war, dass derselbe Verlag (TA-Media) mit dem Züri Leu breits eine Gratiszeitung im Angebot hatte, diese aber einstellte und später mit 20 Minuten eine andere Gratiszeitung dazu kaufte. Oder auch Mobility Car Sharing, IKEA, Microcredits und andere.
Dann noch ein sehr schönes Beispiel (und Anlass für meinen Post). Viele Firmen die aus der industriellen Logik kommen «innovieren», indem sie anstelle von Produkten neu Lösungen für ihre Kunden anbieten (wollen). Dabei sind sie aber häufig in der alten Welt gefangen. Als Beispiel ein Heizungs-/Lüftungsunternehmen, welches früher Geräte (Brenner, Boiler, Rohre) verkaufte und diese mit Services (Installation, Wartung) verband. Nun sind sie ein Lösungsanbieter und versuchen weiterhin dasselbe zu verkaufen. Neu ist möglicherweise, dass der Anbieter Jahresabos für die Wartung inklusive Ersatzteile und Reaktionszeiten anbietet. Ein Teil davon leistete er schon früher (ohne Lösung und ohne Geld). Was der Kunde aber haben möchte ist das ganze Jahr eine Temperatur von 20-22 Grad zu einem Festpreis. Egal was geschieht und wo der Ölpreis steht. Kundenbedürfnis versus Anbieterangebot.
Oder das Beispiel einer Anwaltskanzlei die nach Aufwand abrechnet, der Kunde aber eigentlich eine Festpreis für alle juristischen Aufgaben auf Jahresbasis haben möchte. Etc.
Abschliessend eine Zusammenfassung unter dem Titel «Innovate the payer role»:
> Transformation von einer industriellen Logik zu einer Cocreation Logic stellt en Geldfluss in Frage
– häufig geringere variable Kosten
– häufig enorme Netzwerkeffekte
– Zahlungsbereitschaft für «Solutions» ist unklar
– Cocreation führt zu Partnerschaften: Wer erntet den Ertrag, wer trägt die Risiken
> Neue Pricing Modelle als Kernelement von innovativen Businessmodellen.

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