Digital sozialisiert, Denker, Macher und Angel Investor.

Wenn jemand zuhört, überwacht er auch gleich?

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Heute in der Sonntagszeitung ein Artkel mit dem Titel «Konzerne überwachen Internet-Nutzer». Korrekterweise werden wir dort auch als Quelle genannt. Zusammen mit unserer Dienstleistung zu «Social Media Monitoring» (hier ein paar Fakten und keine Werbung [wie teilweise in Sonntageszeitungen anzutreffen]). Dennoch hatte mein Früshstückmüsli heute einen leicht sandigen Geschmack.
Social Media Nutzer (Blogger, Twitterer, Facebook-User, Menschen die auf YouTube Filme veröffentlichen, Kommentatoren in Foren oder auf Einkaufssites etc.) publizieren Aussagen und Informationen im Internet mit dem Ziel, sich mit anderen Menschen auszutauschen respektive um ihre Meinung kund zu tun. Die Nutzungshäufigkeit ist je nach Altersgruppe hoch bis sehr hoch. Eine aktuelle Statistik aus dem Bilanz-Artikel über Facebook (eine Plattform, auf der je nach persönlicher Einstellungen, nicht alle Informationen öffentlich sind) zeigt die folgenden Zahlen.

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Vergleichbare Zahlen findet man auch im Bernet-Blog.
Als Anbieter von Produkten und Dienstleistungen habe ich nun zwei Möglichkeiten: Ich höre auf die Stimmen von rund einem Viertel aller Schweizer oder ich höre nicht auf diese Menschen. Früher nannte man so was Marktforschung, die Sonntagszeitung nennt dieses Zuhören von Nestlé, Swisscom, Cablecom, CS oder Migros aber «Überwachung».
Weshalb tut jemand seine Meinung öffentlich kund (so auch ich)? Weil er gehört werden will! Die Kunst des Empfängers ist, richtig auf die Aussage zu reagieren. Im aktuellen Fall von Greenpeace gegen Nestlé reagiert Nestlé aus meiner Sicht ungeschickt. Das hat aber nichts mit dem Monitoring zu tun.
Analogien sind zahlreich. Die Firma «ARGUS der Presse AG» sammelt Nennungen von Stichworten (z.B. Firmennamen) und stellt die Artikel dem Auftraggeber zur Verfügung. Oder die Überwacht die Presse und legt Akten an. Dies seit 1879 und neuerdings werden auch Internet-Quellen erfasst.
Wenn ich öffentlich publiziere, so will ich gehört werden. Wenn es sich um Produkte oder Firmen handelt, so wünsche ich mir, dass eine Reaktion erfolgt. «Social Media Monitoring» ist Grundlage für die gewünschte Reaktion und keine geheime Tätigkeit. Dazu gibt es auch zahlreiche öffentliche Gratisdienste. Die Datenschutz Argumente bezüglich der Akten würden mich im Detail interessieren, da ich den Absender nur persönlich identifizieren kann, wenn er selbst die Information zur Verfügung stellt. Und auch die Aggregation von Aussagen über Plattformen sich auch nur möglich, wenn der User das will. Er kann (nach eigenem Entscheid) mit unterschiedlichen Pseudonymen publizieren.
Und nun laufe ich die Höchi Buche und ich bin mir sicher, dass mein Mittagessen nicht mehr sandig schmeckt 😉

6 Kommentare

  • ach, die sonntagszeitung… poltert seit jahren gegen das internet, statt es den leuten zu erklären. warum das so ist, darüber könnte man eigentlich mal hübsch spekulieren. muss ich mir merken.

  • Danke Jürg, hatte mir eben überlegt wie ich mit dem Artikel umgehen soll. Hat sich mit deinem Post erledigt 😉
    Den leicht sandigen Geschmack hatte ich übrigens letzte Woche bereits beim Artikel in der Bilanz. http://www.namics.com/wissen/facebook-in-der-schweiz/ Wenn auch ein wenig stolz, dass es meine Aussage in die Headline schaffte, hatte diese noch einen Nebensatz, der im Artikel verschwand:
    «In der Schweiz gilt Facebook noch als Privatsache» hier fehlte ein wesentlicher Zusatz, nämlich, «dass es nicht privat ist (es lesen andere Menschen und je nach Einstellung sogar alle via Google) das weiss auch jeder, der Facebook nutzt.» Unternehmen, die diese vermeintlichen privaten Äusserungen zu Ihren Produkten nicht hören wollen (oder eben nur untätig überwachen) lassen sich die Chance zum Dialog entgehen.
    Ich befürchte, dass Marketingextperten, den Unternehmen zwar zu corporate Fansiten raten, dort aber nur Marketingaktionen fahren. Dies ist nicht der Sinn von sozialen Netzwerken, kurz oder lang, wird das nerven wie Werbe-E-Mails.
    In beiden Artikeln zeigt sich, dass die Verfasser, die Netzwerke weder nutzen, noch deren Mechanismen studiert haben. Reine Recherche mit Interviews, funktioniert nicht, vielmehr lohnt es sich, mal wieder richtig zuzuhören. Generell gehört für mich ein Insider zur erfolgreichen Berichterstattung. Deswegen verändern sich die Medienlandschaften so dramatisch. Der Leser erwartet heute mehr denn je Tiefe.
    PS: Noch ein Wort: Greenpeace war deshalb so erfolgreich, weil es ein Thema aufgriff, dass Menschen bewegt, das wussten sie u.a. aus sozialen Netzwerken UND weil sie sich dort schon seit Jahren bewegen, die Community stetig auf- und ausbauen und dadurch massive sichtbare Rückendeckung bekamen. Früher waren solche Aktionen erfolgreich, wenn sie es in die Nachrichten schafften, um nach ein paar Wochen wieder vergessen zu werden. Heute sind sie in den Netzwerken glaubwürdig (von verschiedenen Beteiligten) dokumentiert, auch die Reaktionen der Angebrangerten. Hier liegt enormes ungenutztes Dialog-und Imagepflege-Potenzial.
    Jemand der einem Streit untätig zuschaut, überwacht ihn.
    Jemand der eingreift, schlichtet, aufklärt agiert.

  • Jürg trifft’s auf den Punkt. Mein Abendessen war noch sandig… Ist zuhören und an einer offenen Diskussion teilnehmen denn schlecht? Ich denke, dass wir so mehr von der Realität «auf der Strasse in unsere Unternehmen bringen können und das ist eine gute Entwicklung!

  • kann alle argumente unterstützen. «das ende der kontrolle» hört sich ja nett an. auch «märkte sind gespräche» ist heimelig. gruselig wirds bei attacken, ob sie berechtigt oder unberechtigt sind (wer immer das beurteilen mag). und de facto steht auch dann immer eine kommunikative herausforderung im zentrum. so wie seit jahrzehnten. bloss verändert sich die dynamik dramatisch.

  • Grüezi Herr Stuker, danke für die Nennung von «ARGUS der Presse AG». Es ist richtig, dass ARGUS Internet-Quellen erfasst, dies jedoch bereits seit 2001. Wir beobachten rund 1‘500 Websites national, darunter auch Social Media wie Twitter und diverse Blogs. Die entsprechenden Produkte entwickeln wir selbstverständlich fortwährend weiter.
    «ARGUS der Presse» wurde übrigens 1896 in Genf gegründet. 1879 war der Aufbau von «ARGUS de la presse» in Paris.
    Esther Bättig, Leiterin Marketing und Kommunikation

  • Mich hat die Überschrift auch irritiert. Nach der Logik der Sonntagszeitung müsste dann ja auch jede Abfrage in Google nach seinem Firmenname als «Überwachung» gelten.
    Grosses Kopfschütteln, liebe Sonntagszeitung. Ich hoffe die Sonntagszeitung kriegt diese Diskussion per Monitoring mit, dann kann sie sich ja noch verbessern, indem sie auf Kunden hört. Wer aber so etwas als Überwachung bezeichnet, wird wohl seinen Lesern nicht zuhören. Schade, liebe Sonntagszeitung. Es wäre eine Chance.

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