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Behindertentauglichkeit wäre noch besser mit

B

Ich freue mich über jede behindertentaugliche Website und erlaube mir im Folgenden einen kleinen Beitrag zur Verbesserung. Heute im Klein Report: Future Connection verschafft Tixi-Transportdienst barrierefreien Webauftritt. Was im Titel möglicherweise fehlt, dass es nur die Site von Zürich ist.
Grundsätzlich ist das Angebot sehr gut gemacht. Ich denke aber, es ist nicht getestet worden (zumindest nicht mit blinden Usern). Weshalb ich das meine?
Accesskey sind ein Hilsfmittel primär für Menschen, die nicht visuell arbeiten können und erlauben die Tastaturbedienung im Browser. Dies mit dem Ziel der Beschleunigung und weil die Zielgruppe keine Maus bedienen kann. Die Website lässt zu diese einzublenden. Das nützt aber der Zielgruppe kaum.
Auschnitt aus der Navigation mit Accesskeys t, i, a, h, s, n,l,r und k hinter dem Navigationspunkt
Zudem werden fleissig alphabetische Accesskeys vergeben, welche für Blinde gar nicht funktionieren können. Dies, weil Buchstaben in Konkurrenz mit Browserfunktionen stehen, die sich mit derselben Tastaturkonbination bedienen lässt. Und testen geht kaum, da jeder Sprachversion des Browser andere Abkürzungen hat.
Da Accesskeys so richtig gut sind, wenn sie überall gleich sind, empfehle ich immer den «Standard» von der Stiftung Zugang für alle:

* 0 «Direkt zur Startseite»
* 1 «Direkt zur Navigation» (Link innerhalb Webpage)
* 2 «Direkt zum Inhalt» (Link innerhalb Webpage)
* 3 «Direkt zum Kontakt»
* 4 «Direkt zur Sitemap»
* 5 «Direkt zur Suche»
* 6-9 optional (nur falls nötig und sinnvoll)

Nun nun kommt sicherlich das Firefox-Argument, so auch auf der Website empfohlen:
Empfehlung für die Nutzung des Firefox-Browsers auf der Website
Ich arbeite auch mit Firefox (und Mac) aber Blinde nicht. In der Schweiz werden Hilfsmittel fast ausschliesslich von Accesstech vertrieben. Für PCs heisst das Windows, Internet Explorer und Jaws.
Auf der Seite www.tixi.ch/accessibility findet eine Eigenzertifizierung der Site als «AAA»-Konform nach WCAG statt. Das ist nicht korrekt. Ohne jeden Punkt hier zu diskutieren, bedingt AAA ein skalierbares Layout für die Hilfsmittel, welche Bildschirmvergrösserung nutzen (Checkpunkt 3.4, Priorität 2). Das ist hier nicht gegeben. Und weshalb? Weil skalierbare Schrift nicht nützt, wenn sich die Elemente bei der Vergrösserung überlagen.
Bild mit überlagernden Texten bei 8-facher Vergrösserung
Zugegeben. Dieser Punkt ist schwierig gut umzusetzen.
Sehr schön ist der Quellcode! Ohne Tabellen und valide. Gratulation. Was ich nicht verstehe sind die fehlenden Umlaute bei den ALT-Attributen «ae» anstelle von «ä». Tönt nicht sehr schön mit der Sprachsynthese.
Wie schon gesagt ziemlich gut. Weiter so. Evt. ein Test mit betroffenen Menschen und den verschiedenen Hilfsmitteln.

6 Kommentare

  • Skalierbare Schrift und Spalten beissen sich grundsätzlich. Ist IMHO aber kein zu grosses Problem: Man schalte einfach das Site-Stylesheet aus. Das geht mittlerweile bei praktisch allen Browsern recht einfach.
    Technische Barrieren lassen sich mit technischen Mitteln einfach und preiswert lösen. Schwieriger finde ich die «intellektuellen» Barrieren: Menschen mit wie auch immer gearteten «Lernbehinderungen» können auch mit der technisch barrierefreisten Seite unter Umständen nichts anfangen, weil das Layout zu komplex, die Sprache unverständlich, die Sätze zu kompliziert sind. Aber vermutlich wird es noch einige Jahre dauern, bis auch diese Bevölkerungsgruppe quasi im Kielwasser der (zum Glück!) recht starken Blindenlobby zu ihrem Recht kommt.

  • Hi Mathias und danke für den Kommentar. Absolut einverstanden.
    Die schmalen Spalten und das Abschalten des CSS ist 100% korrekt. Auf der Gegenseite stehen die WCAG aus dem Jahre 1999 (!!) die es verlangen und eine sehr schwierige Diskussion über die nächste Version…
    Die Unterstützung von Menschen mit kognitiven Behinderungen ist tatsächlich vernachlässigt und schwierig anzugehen. Interessant ist Torbjorn Lundgren (www.sprakaloss.se) und seine Ausführungen. Er selbst ist Legastheniker, Autor und sehr aktiv im Bereich der Behindertengleichstellung im Web. Von ihm und von Fred Heddel (Inclusion International, mencap understanding learning disability, http://www.mencap.org.uk) habe ich den Anhaltspunkt, dass das Textverständnis eines 8-10 jährigen Kindes robust ist gegenüber Usern mit einer Lernbehinderung. Ein echte Herausforderung für ein Webangebot.

  • Ich habe Glück und habe eine Testperson gleich bei mir zuhause. Tim muss nur noch alt genug werden, um lesen und schreiben zu können und die Tastatur nicht als Schlaginstrument zu verwenden :-).
    Übrigens gerade über folgende Meldung gestolpert:
    «UN-Konvention: EU und Israel fordern Leichte Sprache.
    Was in Deutschland bislang nur vereinzelt anzutreffen ist, könnte bald in internationalem Rahmen rechtsverbindlich werden: Die Herstellung von Barrierefreiheit für Menschen mit Lernschwierigkeiten durch die Verwendung von «Leichter Sprache». Dies wird derzeit bei den Verhandlungen für eine UN-Behindertenkonvention in New York diskutiert.
    Bei den Diskussionen um den Artikel 19 – Accessibility (Zugänglichkeit – Barrierefreiheit) legte zunächst die Regierungsdelegation aus Israel einen Vorschlag vor, nach dem öffentlich zugänglich gemachte Informationen in leicht verständlichen und alternativen Formaten gehalten sein sollten. Ferner soll die Beschilderung in öffentlich zugänglichen Gebäuden durch Braille-Schrift und durch «easy to read and understand- Material erfolgen. Den genau gleichen Wortlaut zur Beschilderung schlug im weiteren Verlauf der Debatte auch die Delegation der Europäischen Union vor, so dass grosse Chancen für eine Realisierung dieser Passagen auch für den endgültigen Konventionstext bestehen.
    »
    http://www.kobinet-nachrichten.org/cipp/kobinet/custom/pub/content,lang,1/oid,9001/ticket,g_a_s_t
    Allerdings darf man den Aufwand und damit die Kosten für solche Übersetzungen in «Leichte Sprache» nicht unterschätzen. Naja, dafür kann man ja das Geld einsetzen, das man mit W3C-konformem Webdesign gespart hat http://www.hesketh.com/publications/web_standards_can_save_and_make_you_money.html
    :-).

  • > Zugegeben. Dieser Punkt ist schwierig gut umzusetzen.
    Na wieso? Spaltenbreite muss halt flexibel sein und sich dynamisch dem Inhalt (und der Browserfenstergroesse) anpassen. Das geht doch schobn, oder? Man muss es halt schon beim Design der Website beruecksichtigen, nicht erst beim Umsetzen in HTML …
    Eine Website ist nun halt nicht das gleiche wie ein Printlayout, wo man fix auf A4 oder was auch immer ist. Solche Diskussionen haben wir doch schon seit Jahren … 🙂

  • «Spaltenbreite muss halt flexibel sein und sich dynamisch dem Inhalt (und der Browserfenstergroesse) anpassen. Das geht doch schobn, oder?»
    Klar. Aber da die Schriftgrösse ja in jeder Spalte grösser wird, gibt es da nichts, was dynamisch angepasst werden könnte.
    Und irgendwann ist dann die Schriftgrösse so gross, dass schon ein einzelnes Wort den verfügbaren Platz sprengt. Allerdings wird auf der tixi-Site viel Platz verschenkt. Wenn der Bildschirm besser ausgenutzt würde, dann wäre das Problem sicher etwas entschärft.

Von Jürg Stuker
Digital sozialisiert, Denker, Macher und Angel Investor.